Wir Kinder der Welt an einem Tisch
Informationswoche für die Kita-Aktion des Weltladens in der Stadtbibliothek
Der zweite Stock in der Stadtbibliothek gehört diese Woche den Kindern. Neben den Büchern sind dort allerlei Gegenstände auf- und ausgestellt: Ein großer Mörser, verschiedene Kochgefäße, Salzsteine aus Niger, exotische Geldscheine, farbenfrohe Rhythmus-Instrumente, Kleidungsstücke und vieles mehr laden ein zum Angucken, Anfassen und Spielen. Dazu gibt es eine Menge Infomaterial und viele Bücher und Spiele zum Thema der Aktion. Die Ausstellungsecke ist Teil der Jubiläumsaktion „Wir Kinder der Welt an einem Tisch“, zu dem der Herrenberger Weltladen und der Verein Faire Welt e.V. anlässlich ihres 50. Geburtstags Herrenberger Kitas und Grundschulklassen eingeladen haben.
Die teilnehmenden Gruppen können einen oder mehrere Stühle nach einem Land ihrer Wahl kreativ umgestalten. Dabei kann es sich um ein Land handeln, das mit fairen Produkten im Weltladen vertreten ist oder das Ursprungsland eines Kinds mit Migrationsbiografie oder ein Land, das die Kinder aus einem ganz anderen Grund interessiert. Wichtig ist, dass am Ende die große Vielfalt an Ländern und Kulturen deutlich wird.
Bei einem großen Fest am 4. Mai im Otto’schen Garten werden dann alle gestalteten Stühle in bunter Eintracht um einen großen Tisch stehen.
13 Kitas und sieben Schulklassen haben ihre Teilnahme zugesagt. Insgesamt wollen sie 30 Stühle gestalten. Für sie und alle interessierten Eltern und Pädagogen ist die Informationswoche gedacht. Die Stabi-Mitarbeiterinnen haben im Ausstellungsraum zahlreiche Bücher zum Thema zusammen getragen. Das Entwicklungspolitische Informationszentrum (EPiZ) aus Reutlingen hat nach Lesealter und Kontinent geordnete Bücherkisten zur Verfügung gestellt, es gibt Bücherlisten und viel Inspirationsmaterial. Während der Woche sind zudem auch stets Ansprechpartner zugegen, die bereitwillig Fragen beantworten.
Treibende Kraft hinter der Kita-Aktion sind Martin Petry und seine Tochter Helen Wagner, die sich dazu durch die „Tafel der Nationen“ bei der Mannheimer Buga inspirieren ließen. „Das würde auch Kindern gefallen sie könnten mit Spaß etwas gemeinsam machen und dabei viel über die Welt und andere Kulturen lernen“, dachten sich die beiden und entwickelten die Idee für die Aktion.
Beim Organisieren stießen sie auf offene Türen. „Schon allein wegen der geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, ist das ein brandaktuelles Thema. Wir wollten unseren Kitas deshalb auf jeden Fall die Möglichkeit geben, sich an dieser Aktion zu beteiligen“, erklärt Andrea Gerster vom Herrenberger Amt für Kinder und Familie, die das Projekt gern unterstützt. Auch die Stabi war gern zur Kooperation bereit. „Wir haben zu diesem Thema viele tolle Medien und freuen uns, wenn sie unter die Leute kommen. Schön ist es, wenn auch der faire Handel durch die Aktion in den Köpfen präsenter wird“, betont Stabi-Leiterin Martina Lederer-Göhring.
Beim Einrichten der Info-Ecke halfen auch Schülerinnen des einjährigen Berufskollegs der Hilde-Domin-Schule tatkräftig mit. „Die Schülerinnen sind begeistert von dem tollen Netzwerk, dem ehrenamtlichen Engagement und davon, wie angeregt die Kinder erzählen, was sie machen wollen. Auch in der Schulklasse sind verschiedene Nationalitäten und Sprachen vertreten.“, erzählt Kerstin Schmidt, die die Aktion als Pädagogin betreut.
Auch Karin Wirnsbergers, die beim Reutlinger EPiZ das Projekt „Faire Kita“ betreut und die Herrenberger Erzieherinnen in Online-Schulungen auf das Thema einstimmt, zeigte sich sehr angetan von dem Elan, mit der die Aktion angestoßen und umgesetzt wird. „Hier bei uns leben viele Nationen, das ist keine Bedrohung, sondern ein Geschenk. Aber der voruteilsbewusste Blick in die Welt ist ein Prozess. Kinder können das, deshalb ist es ein Glück, mit ihnen zu arbeiten“, erklärt sie.
Zum Auftakt der Infowoche am Dienstag kamen Kinder vom Waldkindergarten „Räuberhöhle“ und der Kita Aischbachstraße in die Stabi. „Für uns war schnell klar, dass wir bei dem Projekt dabei sind, weil es sehr gut zu unserer Kita passt, die wie eine weltoffene Dorfgemeinschaft ist“, erzählt Erzieherin Meike Barth. Jedes der fünf Kita- „Quartiere“ wird eine Stuhl fertigen, die Länder stehen bereits fest. Neben Bulgarien, Finnland, Ungarn und Deutschland (für die Jüngsten) wird auch Sri Lanka mit einem Stuhl vertreten sein. „Wir sind schon gespannt, was den Kindern bei der Gestaltung der Stühle wichtig ist“, betont Barth. Auch der Waldkindergarten Räuberhöhle wird einen Stuhl gestalten und ist bislang noch bei der Ideenfindung. „Wir wollen uns dabei nach den Interessen und Wünschen der Kinder richten“, erzählt Erzieherin Regina Platz. Neben der kindgerecht und ansprechend gestalteten Info-Ecke in der Stabi finden derzeit auch Fortbildungen für Pädagogen statt.
„Ich hatte das Privileg, in meinem Beruf viel im Ausland unterwegs zu sein und habe dabei selbst erfahren, was Integrieren, Anpassen, Partizipieren heißt – also das, was wir von Migranten erwarten. Wir haben mit unseren Kindern in Strohhütten und Lehmhäusern gelebt und die haben sich gut eingefunden. Es gibt so eine schöne Vielfalt in der Welt, die von Klein auf zu erleben, prägt und orientiert“, fasst Martin Petry seine eigene Motivation für das Projekt in Worte. Helen Wagner hofft, dass mit dem Projekt der interkulturelle Austausch gestärkt werden kann. „Andersartigkeit positiv oder neutral belegen, nicht bewerten, sondern stattdessen Interesse zeigen: Kinder können das noch. Wir sind und bleiben eine multikulturelle Gesellschaft. Es wäre schön, das noch mehr in den Kita-Alltag zu integrieren.“